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Zuwanderung braucht das Land!

Standpunkt
Von Volker Giersch

15.12.2013

Fachkräfte sind in vielen Bereichen unserer Wirtschaft knapp geworden. Und diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren deutlich verstärken - bundesweit, vor allem aber hier im Saarland. Hauptgrund dafür ist der demografische Wandel. Er hat zur Folge, dass die Zahl der Saarländer im erwerbsfähigen Alter bis 2030 um rund ein Fünftel sinken wird. Wenn wir vermeiden wollen, dass der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse wird, müssen wir schon heute energisch gegensteuern. Und das stärker als andere Regionen, weil der demografische Wandel hier an der Saar deutlich stärker ausgeprägt ist.

Zunächst ist es nötig, die Potenziale hierzulande konsequent auszuschöpfen. Ziel muss es sein, eine ähnlich hohe Erwerbsbeteiligung zu erreichen wie in den skandinavischen Ländern. Dazu müssen wir mehr Frauen für den Arbeitsmarkt gewinnen, ältere Menschen länger beschäftigen, gering qualifizierte Arbeitslose für den Arbeitsmarkt fit machen, Menschen mit Migrationshintergrund besser in den Arbeitsmarkt integrieren, Abbrecherquoten in Studium und beruflicher Ausbildung reduzieren und die Qualität der Schulen weiter verbessern. Vieles davon ist bereits in Gang gekommen. Und unsere IHK engagiert sich bereits auch in zahlreichen Projekten. Doch die Ausschöpfung der heimischen Potenziale wird nicht reichen. Wir brauchen, um die verbleibende Fachkräftelücke schließen zu können, auch qualifizierte Zuwanderung von außen – nach unseren Berechnungen in einer Größenordnung von 30.000 bis 40.000 Fachkräften bis 2030. Nur als Zuwanderungsland wird sich das Saarland erfolgreich im Wettbewerb der Regionen behaupten können.

Zu diesem Fazit kommt auch die „Allianz für Fachkräftesicherung“, zu der sich Landesregierung, Wirtschafts- und Arbeitnehmerorganisationen und Bundesagentur für Arbeit bereits Ende 2011 zusammengeschlossen haben. In dem gemeinsam erarbeiteten Strategiepapier zielt deshalb eines der acht Handlungsfelder darauf ab, mehr Fachkräfte von außen zu gewinnen.

Hierzu bedarf es freilich beträchtlicher Anstrengungen. Denn bis 2010 war das Saarland Abwanderungsland. Seither gab es zwar Wanderungsgewinne. Aber diese fallen mit einem Plus von rund 2.500 für die Jahre 2011 und 2012 noch recht bescheiden aus. Die Zuwanderung aus dem Ausland ist etwas größer als die Abwanderung in andere Bundesländer.

Junge Fachkräfte im Land halten!

In 2012 sind gut 2.000 Menschen mehr „ins Reich“ abgewandert als von dort ins Saarland zugewandert sind. Dabei handelt es sich zumeist um jüngere und gut ausgebildete Arbeitskräfte und Hochschulabsolventen. Der wohl wichtigste Grund für deren Abwanderung ist, dass es hierzulande an Unternehmenszentralen und Entwicklungsabteilungen mangelt und deshalb zu wenig qualifizierte Arbeitsplätze in Management und Verwaltung, in Forschung und Entwicklung, in Beratung und Dienstleistung zur Verfügung stehen. Wir sollten deshalb hier im Land Anreize dafür schaffen, dass den saarländischen Werken künftig zusätzliche Management- und Entwicklungsaufgaben übertragen werden – etwa über die weitere Stärkung der Ingenieurwissenschaften an unseren Hochschulen.

Gleich ob Binnen- oder Außenwanderung: Wir brauchen insgesamt möglichst bald einen positiven Wanderungssaldo in der Größenordnung von 3.000 bis 4.000 Fachkräften jährlich. Um diese Zielmarke zu erreichen, sollten wir rasch eine Zuwanderungsstrategie entwickeln, die alle wichtigen Stellgrößen mit einschließt.

Attraktive Studiengänge anbieten!

Eine Schlüsselrolle kommt dabei unseren Hochschulen zu. Je mehr junge Saarländer sie in Studiengängen ausbilden, die hier im Land gute Berufschancen eröffnen, desto weniger Saarländer werden das Land verlassen müssen, um anderswo zu studieren und zu arbeiten. Und: Je attraktiver die Studiengänge der Saar-Uni, der Hochschule für Technik und Wirtschaft oder auch der Akademie der Saarwirtschaft sind und je besser sie in den bundesweiten und europäischen Rankings abschneiden, desto mehr Nicht-Saarländer werden interessiert sein, hier im Land zu studieren.

Letzteres eröffnet saarländischen Unternehmen dann eine vorzügliche Chance, Kontakte über Bachelor- und Masterarbeiten oder über Praktika zu knüpfen und die Absolventen hier im Land zu binden. Dieser Weg verspricht Erfolg. Denn alle Erfahrung lehrt, dass es weitaus leichter ist, Studenten mit attraktiven Studienangeboten ins Land zu locken als nicht saarländische Akademiker von außen für unsere Wirtschaft zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund ist die künftige Entwicklung unserer Hochschulen von besonderer Bedeutung. Wir brauchen rasch ein klares Zielbild, das festlegt, wo die Schwerpunkte in Forschung und Lehre künftig liegen sollen. Eine Orientierung am Bedarf in unserem Lande ist dabei ebenso wichtig wie der weitere Aufbau von Exzellenz in ausgewählten Bereichen. Die Hochschulen sind heute bereits ein wichtiger Standortfaktor. Sie können mit Blick auf die demografische Herausforderung künftig noch wichtiger werden: als Anziehungspunkt für kluge Köpfe von außen. Wir sollten das in der anstehenden Diskussion über die künftige Struktur unserer Hochschulen angemessen berücksichtigen.

In den Standort investieren!

Zugleich gilt es natürlich, die Lebensbedingungen in unserem Land attraktiv zu halten und – da wo möglich – weiter zu verbessern. Dazu gehören ein weiterhin reichhaltiges und vielfältiges Kulturangebot, eine familienfreundliche Arbeitswelt, lebendige Innenstädte, die Einkaufserlebnis bieten, attraktive Wohngebiete und nicht zuletzt auch Schulen, die im Qualitätsvergleich mit anderen Bundesländern gut abschneiden. Hinzu kommen müssen öffentliche Leitinvestitionen, die private Investitionen anstoßen und so für zusätzliche Attraktivität sorgen.

Das alles bedeutet, dass wir in der Finanzplanung des Landes weiterhin sicherstellen müssen, dass trotz aller Sparzwänge ausreichende Mittel für Investitionen und andere Standort relevante Ausgaben zur Verfügung stehen.

Offensives Saarland-Marketing ist ein Muss

Ein weiteres Problem, das wir energisch angehen müssen, ist das Image-Problem, unter dem unser Land nach wie vor leidet. Wir Saarländer wissen, dass es sich hier im Land gut leben lässt. Menschen von außerhalb, die einen neuen Arbeits- und Lebensstandort suchen, wissen es zumeist nicht. Schlimmer noch: Sie haben vielfach ein Negativbild von unserem Land, das durch Klischees wie „provinziell“, „hoch verschuldet“, „umweltbelastet“ und „montan strukturiert“ geprägt wird. Nur wenn wir diese Imagelücke rasch schließen, können wir die notwendige Zuwanderung erreichen.

Landesregierung und IHK haben sich deshalb darauf verständigt, ein offensives, auf nachhaltige Wirkung angelegtes Standortmarketing zu starten. Gemäß der von beiden Seiten unterzeichneten Kooperationsvereinbarung stehen dafür bis 2017 jährlich 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist nicht viel. Aber es ist genug, um mit einer originellen Kampagne, die auch die social media nutzt, außerhalb des Landes wahrgenommen zu werden. Die Agenturen Jung von Matt und NEWKOM sind bereits auf einem guten Weg, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Es soll zu Beginn des kommenden Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Anschließend geht es darum, viele Unternehmen und Bürger im Land zum Mitmachen zu bewegen. Das Saarland-Marketing muss in diesem Sinne ein Mitmach-Marketing werden. Unser Ziel: Jede Mitbürgerin und jeder Mitbürger, jedes Unternehmen und jede Organisation soll ein überzeugter „Botschafter“ der Marke Saarland werden.

Flankierung durch Welcome-Center

Das Saarland-Marketing soll und muss flankiert werden durch den Aufbau eines „Welcome-Centers“, das bei der ZPT angedockt ist. Diese Einrichtung soll Fachkräften, die sich für einen Wechsel ins Saarland interessieren, gezielte Informationen über Schulen, Kindergärten, Wohnungsmarkt, Kultur- und Freizeitangebote und vieles mehr geben. Fachkräfte und ihre Familien von außerhalb sollen sich in einem online-Portal umfassend über den Wirtschafts-, Tourismus- und Lebensstandort Saarland informieren können. Angedacht ist zudem auch, zuwandernde Fach- und Führungskräfte wirksam bei der Suche nach passenden Arbeitsplätzen für ihre Partner zu unterstützen. Vielleicht lässt sich ja hier ein Netzwerk saarländischer Unternehmen bilden, die sich wechselseitig bei der Beschäftigung von Familienangehörigen helfen.

Gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland

Neben der Zuwanderung aus anderen Bundesländern werden wir auch die Zuwanderung aus dem Ausland in den Blick nehmen müssen. Erste Überlegungen dazu gibt es bereits. Dabei ist klar, dass konkrete Initiativen vor Ort in möglichen Quellländern nötig sind, wenn wir erfolgreich sein wollen. Denkbar sind etwa Jobbörsen in ausgewählten Städten Ost- und Südeuropas, auf denen saarländische Unternehmen und Institutionen konkrete Beschäftigungsangebote unterbreiten. Das Welcome-Center könnte die gewonnenen Fachkräfte dann bei der Integration im Saarland unterstützen.

Für all das gilt: Die Zeit drängt. Denn wir brauchen mehr qualifizierte Zuwanderung bereits im laufenden Jahrzehnt; dies gerade auch mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft, die bei der Gewinnung von Fachkräften zumeist größere Schwierigkeiten hat als größere Unternehmen mit bekannten Namen. Eine Politik für mehr Zuwanderung ist insofern zugleich wirksame Mittelstandsförderung.