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Kennzahl: 17.10545

Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) – eine starke Partnerschaft für die Zukunft des Welthandels

Beschluss des DIHK-Vorstands

04.06.2014

Deutschland mit seiner erfolgreichen Exportwirtschaft ist wie kaum ein anderes Land auf offene Märkte und freien Handel angewiesen. Die Vereinigten Staaten sind seit langem der größte außer-europäische Absatzmarkt für deutsche Produkte und Dienstleistungen. 3.500 deutsche Unternehmen haben bereits heute rund 200 Mrd. USD in den USA investiert und 580.000 Arbeitsplätze geschaffen. Daher ist die Bedeutung des TTIP-Abkommens für die deutsche Wirtschaft groß: Die aktuelle Umfrage „Going International“ des DIHK zeigt, dass über 60 Prozent der deutschen exportierenden Unternehmen das Abkommen für wichtig oder sehr wichtig halten.

TTIP würde den transatlantischen Handel deutlich beleben und die Wettbewerbsfähigkeit der Partner auf globaler Ebene stärken. Dadurch könnten die Wirtschaft angekurbelt, Arbeitsplätze geschaffen und Wohlstand gesichert werden. Vor diesem Hintergrund fordern wir den zügigen Abschluss eines ambitionierten Abkommens, das den wirtschaftlichen Austausch zwischen Amerika und Europa so weit wie möglich erleichtert, ohne bestehende Schutzniveaus für Verbraucher, Umwelt und Arbeitnehmer zu gefährden.

Ein Partnerschaftsabkommen mit den USA bietet die Chance, die transatlantischen Beziehungen wieder zu intensivieren. Wenn die beiden wirtschaftlichen Schwergewichte einen gemeinsamen transatlantischen Wirtschaftsraum schaffen, dann können die wechselseitig vereinbarten Regeln auch global als Maßstab dienen. Ein umfassendes Abkommen könnte auch die weltweite Dynamik zum Abbau von Handelshemmnissen wieder in Gang bringen bzw. den seit der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise eingesetzten Aufbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse stoppen. TTIP muss dabei den WTO-Regeln entsprechen und als Beitrag zu Ausbau und Stärkung des multilateralen Handelssystems konzipiert werden.

Die Kernforderungen des DIHK sind:
  • TTIP muss über die Eliminierung von Zöllen hinausgehen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse müssen umfangreich abgebaut und das gesamte Abkommen systematisch an den Bedürfnissen des Mittelstands ausgerichtet werden.
  • Von besonderer Bedeutung ist die verbesserte Zusammenarbeit im Bereich Standards, Normen und Zertifizierungen. In Branchen, bei denen die Anforderungen und Sicherheitsniveaus gleichwertig sind, sollte eine gegenseitige Anerkennung angestrebt werden. In Branchen, bei denen die den Vorschriften zugrundeliegenden Gesetzesabsichten nicht vergleichbar sind, sollte bei der Gestaltung zukünftiger Standards zusammengearbeitet werden.
  • Weitere Schwerpunktthemen sind die Bereiche Handelserleichterungen und Zollabwicklung. Auch hier muss TTIP das bestehende Potenzial nutzen, das in einer Vereinheitlichung von Abläufen und der der Abwicklung zugrundeliegenden Vorschriften, u.a. zur Bestimmung des Warenursprungs, besteht.
Im Einzelnen:

Umfassenden Marktzugang sicherstellen
Der Abbau von tarifären Handelshemmnissen muss umfassend und schnell erfolgen. Zölle und weitere Gebühren, Abgaben und Steuern auf Ausfuhren sowie mengenmäßige Beschränkungen sollen generell ab Inkrafttreten des Abkommens entfallen. Wo dies nicht möglich ist, sollte der Abbau zügig und nach einem klar definierten Zeitplan vorgenommen werden.
Ursprungsregeln müssen so weit wie möglich angeglichen werden, um den Handel zu erleichtern. Insbesondere der Mittelstand braucht Ursprungsregeln, die einfach zu verstehen und anzuwenden sind. Sie sollten sich nach den Ursprungsregeln richten, die in anderen europäischen Freihandelsabkommen festgelegt wurden.
Das Abkommen muss Klauseln enthalten, die ein Vorgehen gegen Dumping oder Subventionen durch die andere Vertragspartei ermöglichen. Auch ein regelmäßiger Dialog zum Thema Handelsschutz sollte Bestandteil von TTIP sein.

Dienstleistungshandel und Mobilität verbessern
Der Dienstleistungsmarkt sollte umfassend liberalisiert werden, mindestens in dem Umfang, der in bisherigen bilateralen Abkommen der EU erreicht wurde. Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sollten von den Verhandlungen ausgeklammert werden.
Die Einreise und der Aufenthalt von Fachkräften müssen im kurzfristigen sowie auch im langfristigen Bereich vereinfacht werden. Das ist für den exportierenden Mittelstand besonders wichtig, der in der Regel nur über wenige Mitarbeiter im Absatzmarkt verfügt. Als Referenz könnten spezifische Regelungen der US-Behörden dienen, wie sie z.B. für australische Staatsbürger gelten.
Die Anerkennung gleichwertiger Berufsqualifikationen sollte vereinfacht werden, um die Mobilität von Arbeitnehmern zu erhöhen. Bestehende Qualitätsstandards in der beruflichen Bildung dürfen dabei allerdings nicht gesenkt werden. Hingegen sollte der Austausch von Best-Practise, wie es z.B. das deutsche System der dualen Berufsausbildung bietet, gefördert werden.

Investitionsschutz ist wichtig – aber nicht um jeden Preis!
Investitionsschutzbestimmungen sind für Unternehmen bedeutsam: Sie sollen vor unfairer oder diskriminierender Behandlung im Vergleich zu nationalen Unternehmen sowie vor Enteignung schützen. Deutschland hat in der Vergangenheit zahlreiche Investitionsschutzabkommen vor allem mit Entwicklungs- und Schwellenländern geschlossen. Auch die Vereinbarung von Schiedsgerichten ist üblich. Private Schiedsgerichtsbarkeit ist ein einfaches und effektives Mittel zur Streitbeilegung, gerade auch in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit.
Zwischen Ländern, die über entwickelte Rechtssysteme verfügen, ist die Verbindung von Handels- und Investitionsschutz hingegen nicht zwingend. Denn Investoren sind auch ohne völkerrechtliches Abkommen nicht schutzlos. Mit den USA ist der Investitionsschutz für deutsche Unternehmen insofern kein Schlüsselthema. Allerdings ist der Modellcharakter von TTIP für weitere Handelspartner zu berücksichtigen.
Sollte das geplante Abkommen auch den Investitionsschutz umfassen, bedarf es eines hohen Schutzniveaus und klar definierter Regelungen für Enteignung, Diskriminierung und unfaire Behandlung. Die Regulierungsfreiheit eines Staates darf nicht ausgehebelt werden. Auch das Verhältnis zum nationalen Rechtsschutz muss geklärt werden. Die Investitionsschiedsverfahren müssten – anders als die Handelsschiedsgerichtsbarkeit – aufgrund der legitimen öffentlichen Interessen, die sich aus der Beteiligung von Staaten ergeben, möglichst transparent ausgestaltet werden. Geschäftsgeheimnisse müssen gewahrt werden.

Zugang zur öffentlichen Beschaffung umfassend gewährleisten
Öffentliche Ausschreibungen müssen für ausländische Bieter offen und einfach zugänglich sein – auf jeder Ebene der amerikanischen Verwaltung. Da sowohl EU und USA Mitglieder des WTO-Abkommens zur öffentlichen Beschaffung (GPA) sind, muss die Öffnung im Rahmen des TTIP darüber hinausgehen.
Regelungen über lokale Produkte und Mindestanteile lokaler Wertschöpfung sowie die verbindliche Bevorzugung von Inländern („Buy America/n“-Gesetze) müssen abgeschafft werden.
Ausschreibungen müssen transparent gestaltet und für Bewerber einfach zugänglich sein. Rechtzeitige Vorankündigungen und angemessen lange Fristen ermöglichen gerade kleinen Unternehmen eine bessere Planung der Abgabe von Angeboten.

Regulatorische Zusammenarbeit stärken
Der Mittelstand spürt überproportional den Mehraufwand durch nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Im Rahmen der Umfrage „Going International“ der IHK-Organisation geben 75% der auslandsaktiven Unternehmen an, dass der größte Nutzen von TTIP in der Anpassung oder gegenseitigen Anerkennung von Normen, Standards und Zertifizierungen besteht.
In Bereichen, in denen die Ziele der Gesetzgebung vergleichbar oder sogar identisch sind, sollten sich die Verhandlungspartner auf eine gegenseitige Anerkennung einigen. Dabei geht es nicht um die Absenkung des Niveaus im Verbraucher- oder Umweltschutz, sondern um die effiziente Gestaltung des Austauschs von Waren mit gleichwertiger Sicherheit und Funktionalität.
Bezüglich zukünftiger Gesetzgebung und legislativer Initiativen soll die regulatorische Kooperation die Pflicht beinhalten, den transatlantischen Partner einzubinden. TTIP sollte einen Mechanismus schaffen, der beide Seiten darauf festlegt, zusammenzuarbeiten. So besteht die Chance, dass Handelshürden gar nicht erst entstehen.
Der Ausbau der regulatorischen Kooperation darf die regulatorische Autonomie der EU und der USA nicht in Frage stellen. Jeder Staat muss Vorschriften zum Schutz der Verbraucher, der Gesundheit und der Umwelt selbst erlassen können.
Oberstes Ziel muss sein, sich möglichst flächendeckend internationaler Standards zu bedienen und durch TTIP die Nutzung bestehender und die Entwicklung neuer internationaler Standards voranzutreiben. Diese Standards sollten sich an Funktionalität und Sicherheit der Produkte orientieren, anstatt ein bestimmtes Design oder eine zu nutzende Technik verbindlich vorzuschreiben. So wird gewährleistet, dass auf unterschiedlichen Verfahren beruhende Produkte diese Standards erfüllen und ohne aufwändige Mehrfachzertifizierungen international gehandelt werden können.
Branchenspezifische, nicht-tarifäre Handelshemmnisse sollten in speziellen Anhängen geregelt werden, um spezifische Lösungen zu definieren. Darüber hinaus sollte die Vereinbarung die Grundlage für weiterführende Vereinfachungen legen. Ein Arbeitsplan sollte Gebiete im Bereich der regulatorischen Zusammenarbeit festlegen sowie Mechanismen zur Ergänzung neuer Ergebnisse und Regelungen definieren.
Um echte Fortschritte bei der regulatorischen Kooperation und Kohärenz zu gewährleisten, muss diese von höchster politischer Ebene und unter fortlaufender Einbindung der Privatwirtschaft, insbesondere des Mittelstands, betrieben werden.

Zollabwicklung vereinfachen
Die Beschaffung notwendiger Informationen über relevante Regelungen und Dokumente für die Anwendung präferenzieller Zölle bedeutet für kleine und mittelständische Unternehmen erhebliche Zusatzkosten. Daher muss TTIP den bürokratischen Aufwand bei der Zollabwicklung minimieren. Ansatzpunkte sind insbesondere:
  • Angleichung der Zollverfahren;
  • Transparenz, Vorhersehbarkeit und Zugänglichkeit der relevanten Verordnungen und Verfahren;
  • Vermeidung von doppelten Kontrollen bei Aus- und Einfuhr;
  • Etablierung eines „single windows“ zur Zollabwicklung, das den flächendeckenden Gebrauch von elektronischen Zollerklärungen ermöglicht sowie die Entwicklung eines digitalen Einheitspapiers der Versandanmeldung (SAD);
  • Gegenseitige Anerkennung von zollrechtlicher Entscheidungen z.B. bezüglich der Einreihung von Waren oder zum Zollwert.
Darüber hinaus kommt der Harmonisierung der Ursprungsregeln eine Schlüsselrolle zu. Auch die jeweiligen Regelungen des Exportkontrollrechts sollten gegenseitig anerkannt werden, da sie weitgehend deckungsgleich sind und die Exportabwicklung damit deutlich erleichtert würde.

Kleine und mittelständische Unternehmen in den Mittelpunkt stellen

Die Aufnahme eines eigenen Kapitels für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) unterstreicht deren besondere Bedürfnisse und Bedeutung im transatlantischen Handel. Die Maßnahmen müssen so angelegt sein, dass sie im Rahmen der Implementierung des Abkommens weiterentwickelt werden können.
Die bessere Informationsaufbereitung und -bereitstellung durch eine umfassende, zentrale nutzerfreundliche Datenbank zu regulatorischen Anforderungen auf allen US-Verwaltungsebenen wäre eine wichtige Hilfestellung für KMU.
Die Implementierung des Abkommens und der KMU-relevanten Vorschriften und Maßnahmen sollten durch einen spezifischen Ausschuss beobachtet werden. Dieser sollte neben Vertretern der öffentlichen Verwaltungen auch Repräsentanten der Privatwirtschaft, insbesondere der Industrie- und Handelskammern, beinhalten. Der Ausschuss sollte jährlich den erzielten Fortschritt in der Vereinfachung des transatlantischen Handels und die größten noch bestehenden Hürden bewerten und seine Handlungsempfehlungen an die jeweiligen Regierungen übermitteln.
Zudem müssen alle im TTIP vorgesehenen Vorschriften und Maßnahmen auf ihren Mehrwert und ihre Umsetzbarkeit für KMU überprüft werden.

Handel von Energie und Rohstoffen stärken
Der sichere Zugang zu Energie und Rohstoffen ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Dennoch werden diese Themen bislang auf multilateraler Ebene unzureichend behandelt. TTIP sollte eine Vorreiterrolle darin übernehmen, den Rahmen für bilateralen Handel und Investitionen im Energie- und Rohstoffbereich offen, transparent und vorhersehbar zu gestalten.
Der Ausbau erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz hat sowohl in den USA als auch in der EU Priorität. Eine Liberalisierung in diesen Bereichen würde einen verbesserten Austausch, die weitere Verbreitung der bestehenden Lösungen, eine höhere Kosteneffizienz sowie ein besseres Umfeld für Innovationen bedeuten.
Neben erhöhter Transparenz über die Vergabe von Lizenzen und Abbaurechten sind im Bereich Energie und Rohstoffe vor allem Regelungen für einen verbesserten Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Firmen von großer Bedeutung. Auch sollte Maßnahmen zur Abschaffung gesetzlich vorgeschriebener Energie- und Rohstoffpreise sowie eine Definition der Rolle staatlicher Unternehmen in diesen Sparten beinhalten.

Geistiges Eigentum schützen
Für innovationsbasierte Wirtschaften wie der EU ist die Sicherung geistigen Eigentums bei stärkerer wirtschaftlicher Verflechtung mit Drittstaaten existenziell. Daher sollte TTIP auch in diesem Bereich Standards definieren, die der Unternehmenswirklichkeit gerecht werden und als Benchmark für weitere Abkommen auf bilateraler oder globaler Ebene gelten können.
Der bestehende EU-US-Dialog zum Schutz geistigen Eigentums sollte im Rahmen von TTIP fortgesetzt und erweitert werden. Der Schutz geistigen Eigentums muss gesichert und durchsetzbar sein. Unterschiedliche Systeme zu Registrierung und Schutz von Patenten und Marken sind ein Hindernis für Unternehmen, insbesondere für KMU. Daher sollten größtmögliche Kompatibilität auf diesem Gebiet sowie die volle Anerkennung geografischer Angaben sichergestellt werden.
Das Thema Datenschutz und Spionageaktivitäten sollte nicht im Rahmen des TTIP, sondern in einem separaten Abkommen geregelt werden.

Transparenz sicherstellen
Neue Maßnahmen im Rahmen der von TTIP begründeten Kooperation sollten einen realen Mehrwert für Unternehmen bieten. Um Auswirkungen auf die Wirtschaft besser bewerten zu können, sollte TTIP die Regierungen beider Regionen verpflichten, Interessenträger wie z.B. Unternehmensverbände und Industrie- und Handelskammern systematisch vor der Einführung neuer Regelungen zu konsultieren. Alle Regelungen sollten darüber hinaus im Sinne größtmöglicher Transparenz veröffentlicht und angewandt werden.