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Stellenabbau als Überlebensstrategie - Eine Nachlese

Von Volker Giersch
Standpunkt

01.04.2010

Im Januar habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass wir den öffentlichen Dienst in unserem Land weiter verschlanken und an die absehbare Bevölkerungsentwicklung anpassen müssen, wenn wir den Landeshaushalt bis Ende des Jahrzehnts einigermaßen ins Lot bringen wollen. Angefacht durch den öffentlichkeitswirksamen Vorstoß der Wirtschaftsjunioren hat sich seither eine lebhafte und kontroverse Diskussion entwickelt. Leider wurden dabei viele Fakten und Argumente unvollständig, verzerrt oder gar falsch wiedergegeben. Deshalb jetzt im April nochmals eine Nachlese.

Anzumerken ist gleich zu Beginn: Es geht nicht darum, ob Polizisten, Lehrer, Professoren, Richter, Straßenreiniger oder Verwaltungsangestellte im Saarland ihre Arbeit ordentlich verrichten oder wie dringend sie gebraucht werden. Angesichts der dramatischen Haushaltssituation des Landes geht es einzig um die Frage, wie viel Wünschenswertes wir uns auch im Personalbereich künftig noch leisten können.

Alle Fakten und Projektionen, die mir zugänglich sind, erhärten die These, dass es ohne deutlichen Stellenabbau nicht gelingen kann, bis zum Ende der Dekade ein ausreichende Finanzvolumen für Zukunftsinvestitionen, Wirtschaftsförderung, Bildung und Kultur zu sichern. Und das ist für unser Land überlebenswichtig. Denn gerade diese Bereiche entscheiden maßgeblich darüber, wie weit wir den Wirtschaftsstandort Saarland attraktiv halten, die Wirtschafts- und Steuerkraft stärken und so nachhaltige Sanierungsbeiträge auch über die Einnahmenseite des Haushalts erreichen können.

Dem Beispiel anderer Länder folgen

In mehreren anderen Bundesländern – so etwa in Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg – ist die Lage gleichfalls schwierig, wenn auch weniger dramatisch. Dennoch setzen sich diese Länder weitaus ehrgeizigere Sparziele als das Saarland. Schleswig-Holstein will die Zahl der Landesbediensteten bis 2020 um zehn Prozent, Brandenburg um 20 Prozent und Sachsen-Anhalt sogar um 25 Prozent reduzieren.

Keine Frage: Die Ausgangsbasis ist – was die Zahl der Staatsdiener betrifft - von Land zu Land verschieden. Schleswig-Holstein etwa beschäftigt derzeit – je eine Million Einwohner gerechnet – rund neun Prozent weniger öffentlich Bedienstete als das Saarland. Brandenburg etwa gleich viele, Sachsen-Anhalt gut 13 Prozent mehr.

Der wiederholt vorgetragene Einwand, solche Ländervergleiche seien nicht zulässig, geht dabei ins Leere. Zwar ist richtig, dass die Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist. Doch haben wir genau aus diesem Grund nicht nur die Beschäftigten der Länder, sondern auch die der Regierungsbezirke, Kreise und Kommunen jeweils zusammen in unsere Betrachtungen einbezogen; das war aus Grafik und Text eindeutig zu erkennen. Soweit statistisch überhaupt möglich, wurde also durchaus Vergleichbares miteinander verglichen – und eben nicht „Äpfel mit Birnen“.

Berechtigt wäre gegebenenfalls der Einwand, dass in Schleswig-Holstein der Staat weniger und die Privaten entsprechend mehr Aufgaben wahrnehmen. Doch dafür gibt es – auch bei genauerem Hinsehen – keinerlei Hinweise. Es bleibt deshalb bis zum Beweis des Gegenteils bei der Aussage: Schleswig-Holstein wird – über alle Verwaltungsebenen – bereits heute von neun Prozent weniger Staatsdienern regiert als das Saarland. Abzuwarten bleibt lediglich, mit welcher Konsequenz das nördlichste Bundesland seine ehrgeizigen Ziele in den nächsten Jahren umsetzen wird.

Um künftige Entwicklungen besser miteinander vergleichen zu können, macht es Sinn, einen weiteren Faktor mit in die Betrachtung einzubeziehen: die absehbare Entwicklung der Bevölkerung. Für das Saarland sagt die gerade erst veröffentliche Bevölkerungsprognose der statistischen Ämter voraus, dass die Zahl der Einwohner von 2009 bis Ende des Jahrzehnts um gut sieben Prozent sinken wird. Der von der Landesregierung angepeilte Personalabbau –rund 100 Stellen im Jahr – bleibt deutlich dahinter zurück. Einwohnerbezogen würde die Zahl der Staatsdiener also ansteigen – bis 2020 um rund drei Prozent. Da muss man kein Schelm sein um zu fragen: Mehr Staat bei gleichzeitigem Defizitabbau – wie soll das zusammen passen?

In Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Brandenburg soll der Stellenabbau dagegen weit über den Bevölkerungsrückgang hinausgehen. Nach den aktuellen Planungen jedenfalls wird die Zahl der Landesbediensteten dort – je eine Million Einwohner gerechnet – in einer Größenordnung von 2 000 bis 3 300 sinken.

Klargestellt sei an dieser Stelle dann auch: Die von uns genannte Richtmarke „minus 6 000“ bezog sich keineswegs allein auf die rund 26 000 Bediensteten des Landes, sondern zugleich auf die rund 14 000 Bediensteten der kommunalen Ebene. 6 000 von 40 000 Stellen abzubauen, das wäre ein Minus von 15 Prozent in zehn Jahren, also von 1,5 Prozent jährlich. Und es würde bei gut 12 000 altersbedingt frei werdenden Stellen bedeuten, dass immerhin jede zweite dieser Stellen wiederbesetzt werden könnte.

Wie zu hören und zu lesen war, will die Landesregierung gar nur jede frei werdende dritte Stelle wieder besetzen. Das klingt zunächst noch restriktiver. Ist es aber nicht. Denn die Regierung plant, weite Bereiche des öffentlichen Dienstes (z. B. Bildung, Polizei, Finanzverwaltung, Gerichte) – in der Summe gut drei Viertel aller Stellen – als „Schonbereiche“ gänzlich von Kürzungen auszunehmen. So kann und wird die Rechnung nicht aufgehen.

Priorität für die schulische Bildung

Einen besonderen Stellenwert in der Diskussion nimmt das Thema Bildung ein. Im engeren Sinn sind damit die Schulen gemeint – die allgemein bildenden ebenso wie die beruflichen. Die Landesregierung hat diesen Bereich bis 2014 vollständig von Stellenstreichungen ausgenommen. Die Zahl der Stellen wird zunächst sogar noch aufgestockt.

Dafür gibt es auch gute Gründe: Zum einen beschäftigen wir derzeit Einwohner bezogen weniger Lehrer als die übrigen Länder. Zum anderen werden zum Ausbau der Ganztagsschulen und für die nötige Stärkung des Vorschulbereichs zusätzliche Lehrkräfte benötigt – je Schüler zumindest.

Spielraum für Verbesserungen eröffnet hier, dass die Zahl der Schüler bis Ende des Jahrzehnts kräftig sinken wird – um immerhin 23 Prozent. Unsere IHK hat wiederholt dafür plädiert, diese „demografische Dividende“ überwiegend im Schulsystem zu belassen – überwiegend und soweit finanzierbar. Konkret: Der Bildungsbereich kann nicht vollständig vom Stellenabbau ausgenommen bleiben.

So halten es auch andere Bundesländer. Sie alle sehen die Schulbildung als eine der vorrangigen Zukunftsinvestitionen an. Und dennoch sind Stellenstreichungen im Schulbereich kein Tabu. Vor wenigen Tagen erst war zu lesen, dass die Landesregierung in Schleswig-Holstein in den nächsten zehn Jahren 15 Prozent der Lehrerstellen streichen will, weil die Finanznot dazu zwingt. Zugegeben: Das Land im Norden beschäftigt heute relativ mehr Lehrer als wir im Saarland. Aber das wird sich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ändern, wenn die Landesregierung konsequent an ihren Abbauplänen festhält.

Schleswig-Holstein plant – ganz nebenbei bemerkt – auch jenseits des Personalbereichs unpopuläre Einschnitte. So wird die dortige Haushaltskommission wohl empfehlen, das dritte Kindergartenjahr wieder beitragspflichtig zu machen. Sie hält die Übernahme der Kosten durch das Land für nicht mehr finanzierbar. Es mag ja gute Gründe geben, im Saarland dennoch daran fest zu halten. Für die Abschaffung der Studiengebühren gilt dies jedenfalls nicht.

Bleiben wir beim Ländervergleich und kommen zur Verschuldung: Hier war in der Diskussion zu hören, die Pro-Kopf-Verschuldung in unserem Land sei zwar höher als in den übrigen westdeutschen Flächenländern, aber niedriger als in einigen ostdeutschen Ländern. Das stimmt so nicht. Richtig ist, dass auch in Ostdeutschland kein Land ähnlich hoch verschuldet ist wie das Saarland. Bei diesem Befund bleibt es auch, wenn man zu den Schulden der Länder die Schulden der Kommunen hinzu addiert.

Auch grundlegende Strukturreformen unvoreingenommen prüfen

Kontrovers diskutiert wird immer wieder auch die Frage, ob das Land bei weiterhin deutlich rückläufiger Bevölkerungszahl nicht auf die Ebene der Landkreise verzichten sollte. Leider ist die Bereitschaft gering, dieses Thema ernsthaft zu diskutieren. Abschaffen geht nicht, heißt es da. Die „Gemeindeverbände“ seien durch unser Grundgesetz geschützt. Mag sein. Doch wäre es nicht spannend, den Bundesgesetzgeber um eine entsprechende Änderung der Verfassung, etwa um die Aufnahme einer Öffnungsklausel, zu bitten? Warum sollte sich die Bundespolitik einer solchen Reform-Initiative des Landes verschließen? Und wenn doch, wäre zumindest zweierlei gewonnen: Erstens hätten wir einen guten Grund mehr, zusätzliche Solidarhilfe einzufordern, wenn uns der Bund diese Chance der Selbsthilfe verwehrt. Und zweitens würde uns ein entsprechendes Reformbegehren bundesweit ein äußerst positives Medienecho bescheren.

Klar sein muss in jedem Fall: Wir werden – um die Eigenständigkeit des Landes zu sichern – auch weit reichende Strukturreformen unvoreingenommen prüfen müssen. Tabus beim Sparen kann und darf es nicht geben. Ansonsten ist die Sanierung der Landesfinanzen nicht mehr zu schaffen.