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Mehr Europa wagen!

Von IHK-Präsident Dr. Richard Weber
Kolumne

01.05.2013

Nostalgie kann wunderbare Gefühle wecken. Aber sie kann auch gefährlich werden. Immer dann jedenfalls, wenn sie eine „gute alte Zeit“ verklärt, die es so nie gegeben hat. Und erst recht, wenn dabei noch die Fortschritte, die seitdem erreicht wurden, verdrängt, vergessen und oder kleingeredet werden. Auf diese Nostalgie und Amnesie setzen die Euro-Skeptiker. Es ist erschreckend mit welch großem Erfolg: Fast jeder vierte Deutsche kann sich heute vorstellen, eine Partei zu wählen, deren Programm sich praktisch in einem Satz erschöpft: „Schluss mit dem Euro!“. Sollten Nationalismus und Isolationismus tatsächlich wieder eine „Alternative für Deutschland“ sein? Eine bedrückende Vorstellung.

Ich möchte daher all diejenigen, die vielleicht unzufrieden sind über immer neue milliardenschwere Rettungsschirme, die beunruhigt sind über die Hektik vieler dieser Entscheidungen und deren gelegentlich vielleicht auch fragwürdige Legitimation – ich möchte all die Europamüden und Eurokritischen dazu aufrufen, sich wirklich ernsthaft an die vermeintlich „guten“ Zeiten zu erinnern. Gerade im Saarland müssten die Erinnerungen noch frisch sein: Die Grenzkontrollen mit oftmals nervtötenden Wartezeiten, die lästige Carnet-Pflicht für mitgeführte Arbeitsmittel (das konnte schon ein Laptop oder eine vergessene Werkzeugkiste sein), die getrennten Geldbörsen für D-Mark, französische und luxemburgische Franken, die aufwendigen und teuren Auslandsüberweisungen, die sich mit jeder Wechselkursanpassung verändernde Wettbewerbsfähigkeit auf den wichtigsten Auslandsmärkten. Selbst die Inflation in Deutschland war zu Zeiten der D-Mark höher als in den Jahren nach Einführung des Euro. Darauf hat Bundesfinanzminister Schäuble erst kürzlich auf einer Veranstaltung unserer IHK nochmals hingewiesen.

Die Alternative zu Europa ...
Insgesamt hat gerade Deutschland von Europa und von der gemeinsamen Währung profitiert. Das gilt nicht nur für Industrie und Exportwirtschaft. Es gilt in ganz besonderem Maße für Grenzregionen wie das Saarland. Und es gilt gerade für kleinere Unternehmen und Dienstleister: Nie war es so einfach wie heute, seine Produkte oder Dienstleistungen im nahen Ausland abzusetzen. Den Errungenschaften des gemeinsamen Binnenmarktes sei Dank!

Gewiss hat die Währungsunion einige Webfehler. Aber die lassen sich korrigieren und müssen auch korrigiert werden. Die Bankenunion – richtig „gestrickt“ – kann ein Weg dazu sein. Gewiss erscheint uns Brüssel oft als bürokratisches Monster. Aber sind wir etwa in Deutschland mit dem Bürokratieabbau weitergekommen? Wir beklagen den europäischen Förderdschungel oder die Bürokratie vieler EU-Richtlinien? Ist das deutsche Steuersystem vielleicht einfacher oder transparenter?

Das alles sind Argumente für den Kopf. Sie werden vielleicht diejenigen überzeugen, die sich noch ehrlich an vor-europäische Zeiten erinnern können und wollen. Diejenigen, die nach idealistischen Zielen oder Visionen suchen, werden wir damit nicht erreichen. Deshalb müssen wir uns selbst und vor allem der Jugend Europas klar machen, dass es um weit mehr geht als um die Rettung von Banken, die Stabilisierung unseres Finanzsystems oder um wirtschaftliche Vorteile. Vom Erfolg des „Projektes Europa“ hängt ab, welche Rolle Deutschland und Europa künftig in der Weltgemeinschaft spielen werden, ob unsere Werte und Errungenschaften – Demokratie, individuelle Freiheit, Toleranz, Rechtsstaatssicherheit – auf Dauer verteidigt werden können. Nicht zuletzt steht Europa für die friedliche Lösung von Konflikten und Interessengegensätzen.

... heißt Europa
Projekt Europa 2030 – so lautet der Titel eines Berichts an den Europäischen Rat, der vor drei Jahren abgeschlossen wurde. Zu den Autoren gehört unter anderem der Friedensnobelpreisträger Lech Walesa. Der Bericht endet mit den Worten:

"Die Frage ist nun, ob wir zu unserem gemeinsamen Vorteil auf den Stärken der Union aufbauen können. Die Globalisierung und die Entstehung eines neuen Kräftegleichgewichts in der Welt sind wichtige neue Gründe für ein gemeinsames Handeln der EU ... Diese Aufgabe erfordert politischen Mut und kollektiven Ehrgeiz, soliden Pragmatismus und eine klare Vorstellung von den Idealen, für die es sich einzusetzen lohnt, bei uns und anderswo. Wir müssen hierfür den Weg bereiten – gemeinsam und jetzt.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.