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Gemeinsam für lebendige Ortskerne und Innenstädte

Standpunkt
von Volker Giersch

01.12.2011

Nicht nur das Land, auch seine Kommunen stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Finanznot und demografischer Wandel heißen die wichtigsten Stichworte. Beides trifft vielerorts zusammen mit einem schleichenden Siechtum der Ortskerne und Citys. Leerstände im Bereich gewerblicher Immobilien, aber auch im Wohnungsbereich zeugen davon. Mehr und mehr Kommunen sind betroffen. Und die Probleme treten immer offener zutage.

Ausgelöst wurde und wird die Erosion der Ortskerne zumeist dadurch, dass Kaufkraft in großflächige Einzelhandelszentren auf der grünen Wiese, zu Discountern am Ortsrand, in Kommunen mit attraktiverer City oder ins Online-Shopping  abfließt. Die Folge: Mehr und mehr Einzelhändler in den Ortskernen müssen aufgeben. Neue Anbieter schließen die Lücke nicht oder nur teilweise. Geschäfte stehen leer. Die Mieten sinken. Investitionen in Gebäude und Fassaden bleiben aus. Das Einzelhandelsangebot verliert an Breite, der Ortskern an Attraktivität. Weitere Kaufkraft fließt ab – es entsteht ein Teufelskreis.

Absehbar ist, dass der demografische Wandel die Probleme weiter verschärfen wird – gerade auch hier im Saarland, wo er deutlich stärker ausfällt als anderswo in Westdeutschland. Wir werden weniger und älter. Gegen Ende des Jahrzehnts werden sieben Prozent weniger Menschen hier im Land leben als heute. Besonders stark zurückgehen wird die Zahl der Jugendlichen und Kinder – bis 2020 um rund ein Viertel. Verlieren werden vor allem die Kommunen im ländlichen Raum, weil es jüngere Menschen - insbesondere auch junge Familien - verstärkt in die Städte und Verdichtungsräume zieht. Schon heute stehen in den ländlichen Gemeinden viele Häuser und Wohnungen leer.

Vom circulus vitiosus …

Die Ursachen sind also komplex. Und sie hängen miteinander zusammen. Deshalb ist es nötig, die Herausforderung ganzheitlich anzugehen. Alle Beteiligten – Politik, Kommunalverwaltung, Gewerbevereine, Unternehmen und Hauseigentümer – müssen zusammenwirken. An den Anfang gehört eine klare Diagnose, sprich eine ungeschminkte Bilanz der Stärken und Schwächen. Daraus abzuleiten ist ein schlüssiger Therapieplan: Er muss neben einer Agenda auch ein stimmiges Leitbild enthalten, das Lust macht auf Zukunft. Dieses Leitbild muss breite Akzeptanz finden, damit es später von allen Beteiligten auch mit Herz und Tatkraft umgesetzt wird.

Erfolgsbedingung ist zunächst, all das zu unterlassen, was die Probleme weiter verschärfen würde. Konkret bedeutet das unter anderem
außerhalb gewachsener Ortslagen möglichst keine neuen Wohngebiete mehr auszuweisen,
die Vorgaben der Raumordnung bei der Genehmigung von großflächigem Einzelhandel auf der grünen Wiese strikt einzuhalten,
Discounter wie Aldi, Lidl oder Schlecker konsequent in den Ortskernen statt am Ortsrand anzusiedeln. Raum dafür lässt sich oftmals durch Reaktivierung nicht mehr genutzter Flächen oder Immobilien gewinnen.

Zur Rezeptur für eine Wiederbelebung der Ortskerne gehört in jedem Fall auch die gute Erreichbarkeit – insbesondere mit dem Auto. Hinzukommen muss ein ausreichendes, qualitativ ansprechendes und preislich angemessenes öffentliches Parkplatzangebot, ein leistungsfähiges Parkleitsystem und eine Beschilderung, die auch Ortsfremden eine schnelle und klare Orientierung ermöglicht.

Die Hoffnung mancher Politiker, einen nennenswerten Anteil an Kunden zum Umsteigen auf Bus oder Stadtbahn zu bewegen, hat sich allerorten als Illusion erwiesen. In kaum einer Kommune fahren mehr als 20 Prozent der Kunden mit Bus oder Stadtbahn in die City. Daran konnten attraktive ÖPNV-Angebote ebenso wenig ändern wie der Rückbau von Straßen oder lange Rotphasen. Gefragt ist heute eindeutig die autofreundliche Stadt. Nur in ihr kann eine lebendige City gedeihen.

Zum Pflichtprogramm gehören auch die drei „S“: Sauberkeit, Sicherheit und Service. Das mag zwar heutzutage als selbstverständlich gelten, ist es aber keineswegs. Maßgeblich für Wohlfühlfaktor und Erlebniswert sind überdies ein ansprechendes und vielseitiges Waren- und Dienstleistungssortiment, attraktive Fassaden und Schaufenster, helle und freundliche Eingangsbereiche, Lokale, die zum Verweilen einladen und Events, die unterhalten. Hinzu kommen müssen Alleinstellungsmerkmale gegenüber konkurrierenden Gemeinden, damit ein eigenständiges Profil entsteht. Attraktive Kulturveranstaltungen und Events mit Unterhaltungswert kommen dazu ebenso in Frage wie verlockende kulinarische Angebote und besondere Betreuungsleistungen für Kinder. Nötig sind überdies koordinierte Öffnungszeiten und ein offensives Marketing. Letzteres durchaus auch online. Die „App“ der Landeshauptstadt ist ein Schritt in die richtige Richtung.

All das braucht eine ordnende und koordinierende Hand. Die Shopping-Center machen vor, wie es funktionieren kann. Dort heißt das Erfolgsrezept Centermanagement. Es bedeutet konsequente Umsetzung eines praxiserprobten Leitbilds, das Einkaufen mit hohem Erlebniswert und Wohlfühlfaktor verspricht. Dies organisiert und gesteuert aus einer Hand.

Übertragen auf die Kommunen bedeutet das: aktives Citymanagement. Die Zahl der Städte und Gemeinden, die ihre Ortskerne in diesem Sinn aktiv und im Verbund aller Beteiligten managen, steigt in Deutschland von Woche zu Woche. Nur selten erreicht das Ergebnis bereits ECE-Qualität. Doch die Richtung stimmt zumeist.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor sind zumeist auch öffentliche Leitinvestitionen, die das Umfeld aufwerten und komplementäre private Investitionen anstoßen. Es müssen keineswegs immer Großprojekte wie Stadtmitte am Fluss sein. Auch kleinere Investitionen - etwa in neue Straßenlaternen, zusätzliche Grünzonen, ansprechende Gehwege oder in eine wertige „Stadtmöblierung“ - können wichtige Impulse geben.

Die Finanznot der Kommunen kann und darf hier keine Ausrede sein. Auch deshalb nicht, weil sich an anderer Stelle durchaus einiges einsparen lässt. Noch immer leisten wir uns im Land viel zu viele Schwimmbäder, Mehrzweckhallen und Sportstätten, die hohe jährliche Defizite erwirtschaften. Allein im Bereich der Bäder summieren sich die Verluste Jahr für Jahr auf gut 30 Millionen Euro. Es ist allerhöchste Zeit, das Überangebot abzubauen und so die Defizite einzudämmen – insbesondere auch im Rahmen von arbeitsteiliger Kooperation zwischen kleineren Kommunen. Das Geld ist weitaus besser in den Ortskernen und Innenstädten angelegt. Denn dort schafft es die Basis für Umsätze im Einzelhandel, in der Gastronomie und bei Dienstleistern und sichert dadurch Steuerkraft.

…zum circulus virtuosus

Öffentliche Leitinvestitionen, gute Erreichbarkeit, attraktive Schaufenster und Fassaden, besondere Kultur- und Gastronomieangebote, ein ansprechendes Warensortiment – all das sind Stellgrößen, die in einem Gesamtkonzept so aufeinander abzustimmen sind, dass die Kommune ein eigenständiges Profil gewinnt. Kommunen, die ein solches Gesamtkonzept entwickelt und bereits umgesetzt haben, sind bislang noch eher die Ausnahme als die Regel – im Saarland ebenso wie anderswo. Doch es gibt inzwischen zahlreiche Initiativen, die in diese Richtung zielen. Das ist gut. Denn eine attraktive Innenstadt- und Ortskerngestaltung ist auf Dauer die einzig erfolgversprechende Strategie gegen die Konkurrenz der grünen Wiese, der Factory Outlets, des Online-Shoppings und insbesondere auch der Shopping-Center.

Starke Konkurrenten – so die Erfahrung – melden sich vor allem in Phasen eigener Schwäche. Die Kommunen sind deshalb – im Sinne einer wirksamen Prophylaxe – gefordert, möglichst rasch zu eigener Stärke zu finden. Wie erfolgreich es sein kann, die Kräfte zu bündeln, zeigt gerade erst die Stadtentwicklungsinitiative Saarbrücken-Burbach, die vor wenigen Wochen in Gießen mit dem „Business Improvement District Award 2011“ ausgezeichnet wurde.

Unsere IHK unterstützt im Rahmen von „IHK regional“ vielfältige Initiativen vor Ort. Sie versteht sich als Partner der Kommunen und insbesondere auch des innerörtlichen Handels und Gewerbes. Sie fördert den Ideen-, Meinungs- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Kommunen, aber auch zwischen ihnen. Und: Sie lädt ein zur Diskussion von Zukunftsbildern und Strategien. Ein enger Dialog mit den Vereinen für Handel und Gewerbe ist dabei selbstverständlich.

Stadt- und Ortskerne mit hoher Vitalität sind im Übrigen auch ein wichtiger Nährboden für wirtschaftlichen Erfolg auf Landesebene. Dort, wo die Lebenskraft schwindet, müssen rasch schlüssige Konzepte und gemeinsame Anstrengungen her. Dann und nur dann kann es gelingen, die Abwärtsspirale zu durchbrechen und in eine Aufwärtsspirale zu wandeln.