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Energiewende: Auf die Kraft des Wettbewerbs setzen!

Standpunkt
Von Volker Giersch

01.02.2014

Die Energiewende ist ein gleichermaßen ambitioniertes wie risikoreiches Projekt. Sie erfolgreich umzusetzen ist die wohl größte Herausforderung, vor der die große Koalition in den nächsten vier Jahren steht. Es geht letztendlich um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland. Denn es droht ein Exodus industrieller Produktionen, wenn die EEG-Umlage und damit die Strompreise weiter ungebremst steigen.

Entscheidender Preistreiber war und ist die EEG-Umlage. Sie ist seit 2009 um den Faktor fünf gestiegen: von 1,13 Cent je kW damals auf jetzt 6,24 Cent. Im Vergleich mit anderen großen europäischen Ländern weist Deutschland inzwischen mit Italien das höchste Strompreisniveau für Industriekunden mit mittlerem und hohem Stromverbrauch auf. Die hohen Strompreise engen den Spielraum für Investitionen ein und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe. Betroffen ist die ganz überwiegende Mehrzahl der Unternehmen. Denn aktuell sind nur rund 2.800 stromintensive Produktionsstätten weitgehend von der Umlage befreit. Das sind weniger als 0,08 Prozent aller deutschen Unternehmen. Natürlich ist deren Anteil am Gesamtstromverbrauch weitaus höher. Fakt ist aber, dass die Wirtschaft trotz aller Ausnahmen den überwiegenden Teil der EEG-Kosten trägt – mehr als die privaten Haushalte und die öffentlichen Einrichtungen zusammen.

Hohe Strompreise gefährden Arbeitsplätze

Die hohen Strompreise treiben die Kosten der produzierenden Unternehmen nach oben. Und sie gehen zu Lasten der Beschäftigung. Nach einer Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) dürfte allein die jüngste Erhöhung der Umlage von 5,28 auf 6,24 Cent pro kWh im Verarbeitenden Gewerbe deutschlandweit etwa 86.000 Arbeitsplätze kosten. Auf das Saarland heruntergebrochen errechnet sich daraus ein Minus von ca. 1.400 Industriearbeitsplätzen. Und diese Schätzung bezieht sich lediglich auf kurzfristige Anpassungsmaßnahmen. Längerfristig, so das Institut, könnten deutlich mehr Arbeitsplätze wegfallen. Dann etwa, wenn Industrieunternehmen aus dem Markt ausscheiden oder ihre energieintensive Produktion ins Ausland verlagern.

Die Förderung der Erneuerbaren verschlingt inzwischen viele Milliarden – knapp 22 Milliarden allein im laufenden Jahr. Das ist etwa viermal so viel wie wir zurzeit jährlich in unsere Autobahnen und Bundesstraßen investieren und gut zehnmal so viel, wie wir einst für die Förderung der Kohle aufbringen mussten. Mehr ist weder zumutbar, noch ökonomisch vertretbar.

Insgesamt besteht deshalb massiver Handlungsbedarf. Gerade wir im Saarland sind darauf angewiesen, dass die Kosten der Energiewende nicht aus dem Ruder laufen. Denn unser Land ist ein exportorientiertes Industrieland. Rund 70 Prozent der Industrieproduktion gehen ins Ausland: 50 Prozent direkt und weitere 20 Prozent indirekt. Das bedeutet, dass unsere Industrie in besonderem Maße dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist. Und da spielen Energieversorgung und Energiekosten eine entscheidende Rolle. Deshalb vor allem, weil die Saarindustrie in besonderem Maße energieintensiv ist. Stromintensive Branchen wie Stahlindustrie, Gießereien, Schmieden, Automobilindustrie und Metallverarbeitung haben hier ein relativ hohes Strukturgewicht. Allein auf die Stahlindustrie entfällt ein Sechstel des gesamten saarländischen Stromverbrauchs. Ein Preisanstieg um einen Cent je Kilowattstunde führt hier zu jährlichen Mehrkosten von elf Millionen Euro. Die Saarindustrie ist also in besonderem Maße auf eine sichere und kostengünstige Energieversorgung angewiesen.

Die Energiewende effizient gestalten

Handlungsbedarf besteht in mehrerlei Hinsicht. Zuallererst brauchen wir rasch eine grundlegende Reform des EEG, die den weiteren Anstieg der Umlage wirksam und nachhaltig bremst. Zu begrüßen ist daher, dass die Koalition ein entsprechendes Gesetz bereits im Sommer verabschieden will. Am besten wäre es, die Förderung der erneuerbaren Energien bis dahin auszusetzen.

Im Kern muss es bei der EEG-Novelle darum gehen, die Energiewende konsequent marktwirtschaftlich auszurichten, um die volkswirtschaftlichen Kosten des Systemwechsels möglichst gering zu halten. Dazu ist die Förderung des „grünen Stroms“ auf eine technologieneutrale und an Marktpreisen orientierte Förderung umzustellen. Nur so lassen sich die Kräfte des Wettbewerbs wirksam nutzen. Und nur so lässt sich erreichen, dass vorrangig die ökonomisch effizienteste grüne Technologie ausgebaut wird und dass vornehmlich dort investiert wird, wo die Erfolgschancen am größten sind. Bislang ist das Gegenteil der Fall: Das EEG fördert am stärksten die am wenigsten effiziente Technologie – die Photovoltaik.

Das von der Bundesregierung präferierte Marktprämienmodell zielt ebenso in die richtige Richtung wie das so genannte Quotenmodell, das in Schweden und Norwegen bereits Anwendung findet. Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hat den Zeitplan für die angestrebte marktwirtschaftliche Integration der erneuerbaren Energien kürzlich konkretisiert. Seine Planung sieht vor, die EEG-Förderung für alle Neuanlagen über  500 kW Leistung ab 2015 auf eine gleitende Marktprämie umzustellen. Ab 2017 soll das Prämienmodell für alle neuen Anlagen ab 100 kW gelten. Die Förderhöhe soll dann grundsätzlich über Ausschreibungen ermittelt werden. Das ist wichtig. Denn erst das bringt eine deutliche Senkung der Kosten.

Die Beschleunigung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan ist zu begrüßen. Allerdings erfordert die gleitende Marktprämie bis 2017 noch ein relativ hohes Fördervolumen, weil sie den Betreibern das wirtschaftliche Risiko weitgehend abnimmt. Besser wäre es, die Förderhöhe schon ab 2015 durch Ausschreibungen zu bestimmen.

Erleichterungen für energieintensive Produktionen weiter dringend nötig!

Erleichterungen bei der EEG-Umlage werden trotz der geplanten Reformen weiterhin dringend nötig sein. Die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Produktionen wäre ansonsten massiv gefährdet. Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft werden aktuell rund 53 Prozent des industriell verbrauchten Stroms nicht voll mit der EEG-Umlage belastet. Das klingt nach viel, fällt aber mit Blick auf die Kosten nur wenig ins Gewicht: Bei Wegfall aller Erleichterungen würde die Umlage nur um einen Cent sinken. In politischen Debatten hört sich das meist anders an!

Mit Blick auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen sind klar definierte Ausnahmeregelungen weiterhin dringend nötig. Sie sind, gerade auch mit Blick auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen, sinnvoll und notwendig. Es gibt allerdings durchaus Spielraum, den Kreis der privilegierten Betriebsstätten – aktuell 2.800 – spürbar zu reduzieren. Im Jahre 2012 lag deren Zahl bei weniger als 800. Würde man die Zahl der Ausnahmen wieder auf dieses Niveau begrenzen, wäre der finanzielle Effekt allerdings vernachlässigbar gering. Die Stromkunden würden gerade einmal um 0,04 ct/kWh entlastet.

Das kürzlich von der EU-Kommission eingeleitete Beihilfeverfahren wird dazu zwingen, die Kriterien für Erleichterungen klarer und wohl auch restriktiver zu fassen. Entscheidend muss dabei – gerade auch mit Blick auf die Saarindustrie – sein, dass vor allem die Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, weiterhin von der vollen Umlage verschont bleiben. Die Position der IHK-Organisation ist dabei klar: Das ist keine Besserstellung im internationalen Wettbewerb, sondern notwendige Bedingung dafür, dass unsere stromintensive Industrie wettbewerbsfähig bleibt.

Analoges muss für die Eigenstromversorgung gelten. Viele Unternehmen hatten im Vertrauen darauf, dass selbst erzeugter Strom weiter von der Umfrage befreit bleibt, in entsprechende Anlagen investiert. Das jüngste Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministers sieht jetzt allerdings vor, dass selbsterzeugter Strom schon ab diesem Jahr mit den Zuwächsen bei der Umlage belastet werden soll. Dazu darf es nicht kommen. Ein solcher Kurswechsel wäre nicht nur ein massiver Vertrauensbruch. Er würde zugleich dem Industriestandort Deutschland nachhaltig schaden und entsprechende Investitionen namhafter saarländischer Unternehmen massiv entwerten.

In die Stromnetze investieren!

Nicht minder wichtig wie die Begrenzung der Kosten ist es, weiterhin ein hohes Maß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dazu ist es erforderlich, die Stromnetze, die Rückgrat des Energieversorgungssystems sind, zügig aufzurüsten und auszubauen. Das gilt zum einen für die Verteilnetze, die an die stark wachsende dezentrale Versorgung angepasst werden müssen. Es gilt aber auch für den Ausbau der großräumigen Hochspannungsleitungen, und zwar insbesondere in Nord-Süd-Richtung. Weil der vorwiegend im Norden gewonnene Strom aus Windkraft ganz überwiegend im Süden benötigt wird, wenn dort die Atomkraftwerke vom Netz gehen.

Mindern lässt sich der Ausbauaufwand – insbesondere der Hochspannungstrassen – dadurch, dass zügig in den Bau von Stromspeichern und die Entwicklung neuer Speichertechnologien investiert wird. Auch sollten die Verknüpfungen mit den Netzen unserer Nachbarländer rasch ertüchtigt werden. In Frankreich etwa gehen Atomkraftwerke in heißen Sommern für längere Zeit vom Netz, weil die zur Kühlung benötigten Flüsse zu wenig Wasser führen. Hier in Deutschland steht gerade dann viel Solarstrom zur Verfügung. Entsprechende Stromlieferungen über die Grenze machen deshalb Sinn und können den Bedarf an konventionellen Kraftwerken spürbar reduzieren.

Dennoch werden wir solche Kraftwerke noch für viele Jahre brauchen –insbesondere dann, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Das Problem dabei ist, dass sich Investitionen in neue Kraftwerke derzeit kaum rechnen, weil ihre Einsatzzeiten nicht mehr verlässlich planbar und stark verkürzt sind. Einen zwingenden Anlass, so genannte Kapazitätsmärkte einzuführen, gibt es dennoch nicht. Die bestehende Reservekraftwerksverordnung ist einstweilen ein taugliches Instrument – gerade auch mit Blick auf den Abbau regionaler Ungleichgewichte. Auch die EU-Kommission warnt vor kostenträchtigen Schnellschüssen. Denn klar ist: Auch ein Kapazitätsmarkt muss finanziert werden und weitere belastende Umlagen für die Stromverbraucher können wir uns nicht mehr leisten.

Es ist höchste Zeit, die Energiewende jetzt marktwirtschaftlich und kosteneffizient umzusetzen. Ansonsten droht sie zu scheitern und den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu beschädigen. Die IHKs werden weiter auf die nötigen Reformen drängen.