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Die Vorteile der Kleinheit leben!

Standpunkt
von Volker Giersch

01.10.2012

Wie das Ungeheuer von Loch Ness taucht sie in unregelmäßigen Abständen auf: die Diskussion um eine Neugliederung der Bundesländer. In der jüngeren Vergangenheit häufiger als früher. Und nicht nur in Bayern und Hessen, sondern vermehrt auch hier im Land selbst. Die kleinen Bundesländer, so das Argument, seien zu klein, um ohne dauerhafte Unterstützung eigenständig zu überleben. Als Idealbild für ein föderales Deutschland gelten sechs bis acht gleich große und möglichst auch gleich finanzstarke Länder.

Doch schon die Prognose, unzureichende Größe sei der Kern des Problems, ist falsch. So gibt es keinerlei Indizien dafür, dass Kleinheit grundsätzlich von Nachteil ist. Es gibt sie nicht in der Natur, wo die Dinosaurier längst ausgestorben sind, während kleinere Lebewesen den Erdball weiterhin bevölkern. Und wo der Mensch nicht überlegen ist, weil er größer ist, sondern weil er über mehr Intelligenz verfügt. In der Wirtschaft beweisen kleine Unternehmen tagtäglich, dass sie wachstumsstärker und dynamischer sind als viele große. Warum sonst rühmen Politiker den Mittelstand so gerne als Rückgrat der Volkswirtschaft?

Auch auf der Ebene des Staates gibt es wenig Evidenz für besondere Nachteile der Kleinheit:
  • So schneiden kleine Nationalstaaten wie die Schweiz, Malta, Luxemburg, Dänemark oder Singapur im Wettbewerb der Nationen keineswegs schlechter ab als die großen. Sie sind wirtschaftlich nicht weniger dynamisch und finanziell nicht weniger solide. Eher trifft das Gegenteil zu.
  • Gleiches gilt für die Gliedstaaten in föderal strukturierten Ländern wie den USA, Brasilien und der Schweiz. Auch dort lässt sich keinerlei Korrelation zwischen Größe und Erfolg der Gliedstaaten ausmachen. In den USA etwa gibt es sieben Bundesstaaten, die – gemessen an der Einwohnerzahl - kleiner sind als das Saarland und sich seit vielen Jahrzehnten erfolgreich im föderalen Wettbewerb behaupten. Und das ohne horizontalen Finanzausgleich. Ganz nebenbei: Nicht die kleinen Bundesländer Wyoming, Vermont, Delaware oder Montana sind pleite, sondern das große Kalifornien.
  • Und mit Blick auf die Kommunen sind größere Städte wie Bremen oder Saarbrücken keineswegs erfolgreicher und weniger verschuldet als kleinere Gemeinden.
Wenn kleine Staaten, Gliedstaaten, Kommunen und Unternehmen weltweit erfolgreich sind, dann liegt es daran, dass sie die Nachteile der Kleinheit gering halten und die Vorteile der Kleinheit konsequent nutzen.  

Mehrkosten der Kleinheit werden überschätzt

Unstrittig ist zunächst, dass kleinere Länder auf der Kostenseite, insbesondere bei den Kosten der politischen Führung, im Nachteil sind. Doch die so bedingten Mehrkosten wiegen nicht schwer. Denn es gibt sie im Wesentlichen nur auf der Ebene der Gesetzgebung – also bei Parlament, Ministerien und Landesbehörden. Das Saarland beschäftigt hier insgesamt weniger als 1.800 Mitarbeiter (Stand: Mitte 2011) – nur etwa sechs Prozent aller Landesbediensteten.

Zugegeben: Dieser Prozentsatz liegt deutlich über den Vergleichswerten der größeren Länder. Würden wir– je Einwohner gerechnet – gleich wenig politisches Führungspersonal beschäftigen wie die Länder im Schnitt, dann hätten wir gerade einmal 800 Stellen weniger als heute. 800 von 27.000 – das sind gerade einmal drei Prozent aller Landesbediensteten. Die Mehrkosten, die für die höhere Zahl an Stellen anfallen, belaufen sich auf etwa 40bis 50 Millionen Euro. Sie werden über eine Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisung des Bundes mehr als ausgeglichen.

In allen übrigen Bereichen – also Bildung, innere Sicherheit, Hochschulen, Gesundheitswesen, Justiz oder Finanzverwaltung – gibt es dagegen eine weitgehend proportionale Beziehung zwischen dem Personalbedarf im öffentlichen Dienst und der Zahl der Einwohner: Der Bedarf an Lehrern hängt ab von der Zahl der Kinder, der Bedarf an Finanzbeamten von der Zahl der Steuerzahler, der Bedarf an Polizisten von der Zahl der Bürger. Also: Je weniger Einwohner, desto geringer der Bedarf an Staatsdienern. Und das bedeutet dann auch: Allein schon die Bevölkerungsentwicklung schafft bis Ende des Jahrzehnts Spielraum, die Zahl der öffentlich Bediensteten um sieben Prozent zurückzuführen. Denn um so viel sinkt die Einwohnerzahl.

Insgesamt lassen sich die Mehrkosten der Kleinheit also in sehr engen Grenzen halten. Jedenfalls erreichen sie kein Ausmaß, das die Existenzfähigkeit kleinerer Länder infrage stellen könnte. Mit Blick auf das Saarland gehört zudem ins Bild, dass es hier im Land auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes noch beträchtliche Einsparpotenziale. Und die große Koalition ist ja bereits auch auf Sparkurs: Sie hat die Zahl der Minister, Staatssekretäre, Fahrer und Dienstwagen gegenüber der Vorgänger-Regierung spürbar verringert. Damit ist der Spielraum nach unten aber noch keineswegs ausgeschöpft. Denn zuvor hatte das Land in der politischen Führung kräftig Stellen aufgebaut: Von 2007 bis 2011 gab es ein Plus von 170. Das ist ein prozentualer Zuwachs von immerhin elf Prozent. Bei den Landesgesellschaften – u. a. gwSaar, LEG Saar, WOGE Saar, Industriekultur Saar – hat die Regierung eine Restrukturierung bereits angekündigt.

Und dann steht ja noch die Frage im Raum, ob kleine Bundesländer nicht auf die Ebene der Landkreise verzichten können. Die Stadtstaaten machen es vor. Dort gibt es unterhalb des Senats jeweils nur Stadtbezirke – in geringerer Zahl und mit deutlich weniger Kompetenzen übrigens als sie Kommunen in Flächenländern haben. Wir sollten deshalb eingehend prüfen, was wir von den Stadtstaaten lernen können.
 
Strukturen reformieren, mit Rheinland-Pfalz kooperieren

Im Übrigen sind kleine Länder wie das Saarland gehalten, die „Overhead-Kosten“ durch Kooperation mit ihren Nachbarländern zu senken. Berlin und Brandenburg sind uns auf diesem Weg bereits ein gutes Stück voraus. Dort gibt es u. a. bereits gemeinsame Fach-Obergerichte, ein zentrales Mahngericht, ein gemeinsames Amt für Statistik, ein gemeinsames Landesamt für Mess- und Eichwesen, eine gemeinsame Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst und auch eine abgestimmte Krankenhausplanung. Solche Kooperationen helfen, Synergien zu nutzen und Kosten einzusparen. Sie können wirksam dazu beitragen, den Spielraum für eigenständiges Handeln auf anderen Gebieten zu vergrößern. Sie sind deshalb nicht – wie bisweilen behauptet – der Anfang vom Ende der Eigenständigkeit, sondern ganz im Gegenteil ein nötiger Beitrag, diese zu sichern.

Schneller als andere das Richtige tun!

Zu bedauern ist, dass die Befürworter einer Länderneugliederung eines stets ausblenden: dass Kleinheit nicht nur Nachteile, sondern auch gewichtige Vorteile hat. Kleine Unternehmen leben sie uns vor: Sie punkten im Wettbewerb mit Innovationsdynamik, Schnelligkeit und Kundennähe. Diese Tugenden müssen sich auch die kleinen Länder zu Eigen machen. Sie müssen – auf den Punkt gebracht – die Chancen im Wettbewerb der Regionen früher erkennen und konsequenter nutzen als die Großen. Die Formel „Die Schnellen fressen die Langsamen“ will das zum Ausdruck bringen. Doch schnelles Handeln alleine reicht nicht. Wichtiger noch ist, dass die politischen Entscheidungen in die richtige Richtung zielen. Erfolgreich ist insofern, wer schneller als andere das Richtige tut.

Übertragen auf das Saarland hier nur drei Aspekte:
  • Als kleines eigenständiges Land können wir uns gezielt im Wettbewerb der Regionen positionieren – uns ein klares regionales Profil geben. Dies etwa in der Hochschul- und Forschungslandschaft. Wir können sie so gestalten, dass sich die Schwerpunkte am Bedarf von Land und Wirtschaft orientieren und dass wir in Teilbereichen und international Spitze sind. Gleiches gilt für die Profilierung als Tourismus- und Kulturregion.
  • Als kleines Land können wir den Vorteil der kurzen Wege optimal nutzen – Investoren etwa kürzere Genehmigungsdauern bieten und den Genehmigungsaufwand für sie gering halten. Der sprichwörtliche direkte Draht zum Minister kommt hinzu.
  • Last but not least ist es in einem kleinen Land leichter, die Kräfte zu bündeln und gemeinsame Initiativen zu starten als in größeren Ländern. Wir Saarländer haben das oftmals bewiesen, wenn es darum ging, große Herausforderungen zu meistern. Und wir leben auch vor, wie erfolgreich ein kleines Land sein kann, wenn es darum geht, bürgerschaftliches Engagement zu organisieren.
Es gibt also gute Gründe dafür, den föderalen Wettbewerb in Deutschland weiterhin als Wettbewerb zwischen kleinen, mittleren und großen Bundesländern zu gestalten - als Wettbewerb, in dem vor allem eines zählt: der bessere Politikentwurf. Den Beweis, dass wir Saarländer mit guter Politik punkten können, müssen wir in den nächsten Jahren erbringen. Das ist dringender denn je. Denn nur dann wird im Kreis der übrigen Länder auch die Bereitschaft wachsen, dem Land durch eine weitere, letztmalige Teilentschuldung faire Entwicklungschancen für die 2020er Jahre zu bieten. Und das genau müssen wir erreichen.

Setzen wir in diesem Sinne auf die Vorteile der Kleinheit. So wie es uns die kleinen Unternehmen täglich vorleben. Vieles, was sich die große Koalition vorgenommen hat, weist bereits in die richtige Richtung. Darauf lässt sich aufbauen.