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Ausbildungsmarkt im Wandel - Alle Potenziale heben!

Standpunkt
von Volker Giersch

01.08.2012

Mehr und mehr Unternehmen spüren es: Der Ausbildungsmarkt ist im Wandel. Es mangelt nicht mehr an Ausbildungsplätzen - immer häufiger fehlt es an geeigneten Bewerbern. Viele Betriebe melden schon jetzt Probleme, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen – vor allem im Hotel- und Gastronomiegewerbe, in der Bauwirtschaft und in den Elektroberufen. Im vergangenen Jahr blieb jede zehnte Ausbildungsstelle frei, weil es keine geeigneten Bewerber gab.

Was wir heute beobachten, ist freilich erst der Anfang eines langjährigen demografischen Trends. Der Bewerbermangel wird sich künftig von Jahr zu Jahr weiter verschärfen - im Saarland noch weit  stärker als anderswo in Westdeutschland. Allein in diesem Jahrzehnt wird die Zahl der Schulabgänger hierzulande um rund ein Viertel sinken; bundesweit beträgt das Minus „ nur“ 13 Prozent. Der Rückgang bei den Ausbildungsplatzbewerbern könnte noch höher ausfallen, wenn sich zudem  ein wachsender Anteil der Jugendlichen für ein Hochschulstudium entscheidet.

Die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft bleibt indes ungebrochen hoch. Die Unternehmen wissen: Ausbildung ist Zukunft. Wer heute nicht ausbildet, dem fehlen morgen die Fachkräfte. Junge Menschen werden deshalb zunehmend umworben. Für sie brechen auf dem Ausbildungsmarkt goldene Zeiten an.

Die Unternehmen sind mehr denn je gefordert: Sie müssen sich als attraktive Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe präsentieren, wenn sie all ihre Ausbildungsplätze besetzen wollen. „Employer branding“ ist angesagt, um es neudeutsch zu formulieren. Das freilich hilft nur dem einzelnen Betrieb. Um der Wirtschaft im Ganzen ausreichenden Nachwuchs zu sichern, brauchen wir eine große gemeinsame Kraftanstrengung: eine Qualifizierungs- und Mobilisierungsoffensive.

Ausbildungsreife und…

Zu allererst kommt es darauf an, die Qualität unserer Schulen weiter zu verbessern und gerade auch leistungsschwächere Schüler stärker zu fördern. Wir können es uns künftig nicht mehr leisten, dass fünf bis sechs Prozent eines Jugendlichen-Jahrgangs die Schulen ohne Abschluss verlassen und dass ein beträchtlicher Teil der Hauptschulabsolventen nicht ausbildungsfähig ist. Investitionen in die Qualität unserer Schulen sind daher Zukunftsinvestitionen. Lernen bereits im Kindergarten, mehr Ganztagsschulen, gezielte Förderung der Leistungsschwächeren heißen die Stichworte.

Eine bessere Schulbildung hätte für den Ausbildungsmarkt eine beachtliche positive Wirkung: Würden wir es bis Ende des Jahrzehnts schaffen, dass 95 Prozent aller Jugendlichen die Schulen ausbildungsreif verlassen (statt bislang 80 Prozent), dann hätten wir den demografisch bedingten Schüler-Rückgang bereits gut zur Hälfte wettgemacht. Die Zahl der ausbildungsfähigen Bewerber würde dann bis 2020 nur noch um ein Zehntel sinken. Ein beachtlicher Teil des Problems wäre gelöst.

Zur Schließung der verbleibenden Lücke könnte die Herabsetzung des Einschulungsalters beitragen. Hier liegt Deutschland gegenüber den europäischen Nachbarländern um rund ein Jahr zurück und das Saarland im Reigen der Bundesländer auf einem hinteren Rang. Unsere IHK hat deshalb wiederholt vorgeschlagen, innerhalb der nächsten Schuljahre in jedem Jahr die Altersgrenze der Schulpflicht um einen Monat nach vorne zu verlegen. Bislang leider ohne Erfolg.

… Berufsorientierung verbessern!


Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld liegt darin, die Berufsorientierung weiter zu verbessern, um unnötige Warteschleifen zu vermeiden und die Zahl der Ausbildungsabbrecher deutlich zu reduzieren. Unsere IHK hat ihr Engagement in der Berufsorientierung deshalb Schritt für Schritt ausgeweitet. Unsere Ausbildungsberater informieren in den Schulen über Berufsbilder und berufliche Perspektiven. Wir bieten Schülern und Bewerbern Eignungstests an. Wir vermitteln Schülerpraktika. Wir organisieren gemeinsam mit anderen jährlich ca. 20 Ausbildungsmessen und führen für einzelne Branchen Aktionstage durch – etwa den Aktionstag Handel und Tourismus. Und wir bieten 800 bis 1.000 jungen Menschen Jahr für Jahr die Möglichkeit, sich in der „Langen Nacht der Industrie“ vor Ort in den Unternehmen zu informieren. Dies gemeinsam mit ME Saar.

Wir beteiligen uns zudem auch an gemeinsamen Initiativen wie ALWIS und „Zukunft konkret“ sowie an Modellprojekten wie „AnschlussDirekt“. In diesem Projekt werden Hauptschüler während des letzten Schuljahres durch Paten betreut, eingehend über Berufsbilder informiert, die ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechen und gezielt an Ausbildungsbetriebe vermittelt. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Der Anteil der Jugendlichen, die unmittelbar nach der Schule eine berufliche Ausbildung beginnen, ist deutlich gestiegen.

Potenzial für zusätzliche Qualifizierung gibt es auch bei jungen Eltern, die noch keine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Im Saarland liegt die Zahl der 18- bis 30jährigen mit Kindern, aber ohne Ausbildung, bei fast 400. Das sind 400 potenzielle Nachwuchskräfte. Ein Instrument, das hier greift, ist die Teilzeitausbildung. Sie hilft, Familie und berufliche Ausbildung miteinander zu vereinbaren. Jährlich nutzen bereits fast 80 junge Väter und Mütter dieses flexible Instrument. Doch auch hier gibt es noch Spielraum nach oben.

Zusätzliche Ausbildungsbewerber lassen sich auch dadurch gewinnen, dass wir junge Menschen mit Zuwanderungshintergrund künftig noch stärker für eine duale Ausbildung begeistern – etwa durch interkulturelle Ausbildungstage, die wir an Schulen durchführen. Auch in unseren Nachbarregionen liegen noch Potenziale brach – in Lothringen etwa, wo die Jugendarbeitslosigkeit zurzeit relativ hoch ist. Durch gezielte Maßnahmen wollen wir junge Menschen dort für eine Ausbildung oder Beschäftigung bei saarländischen Unternehmen interessieren.

Eine der größten Herausforderungen liegt künftig darin, diejenigen, die nur bedingt ausbildungsfähig sind, in eine berufliche Ausbildung zu bringen. Hier hilft kein Lamentieren über mangelnde Betreuung durch Eltern und Schulen. Hier hilft es nur, vorhandene Defizite möglichst rasch und effizient zu beseitigen. Viele Unternehmen im Land haben das verstanden. Sie bieten innerbetriebliche Nachhilfe an und nutzen dabei auch die ausbildungsbegleitenden Hilfen, die die Arbeitsagenturen oder das Landesprogramm „Ausbildung jetzt“ bieten. Hilfreich sind zudem auch Investitionen wie das Sommercamp, das ALWIS Jahr für Jahr organisiert.

Ausbildungsangebote für eher praktisch Begabte

Für all jene, die den direkten Einstieg in eine berufliche Ausbildung dennoch nicht schaffen, haben sich Instrumente wie die Einstiegsqualifizierung (EQ) bestens bewährt. Immerhin münden hier im Land rund 60 Prozent aller EQ in reguläre Ausbildungsverhältnisse.

Schließlich verbleibt eine nicht geringe Zahl von Jugendlichen, die es trotz aller Stützungsmaßnahmen nicht schaffen (können), eine duale Ausbildung mit Erfolg abzuschließen. Zumeist handelt es sich um Jugendliche, die theorieschwach oder, positiv gewendet, eher praktisch begabt sind. Für sie brauchen wir – gerade auch für die Kernbereiche der Industrie – mehr theorieentfrachtete Qualifizierungsangebote, die mit einem anerkannten praxisorientierten Abschluss enden. Natürlich nicht als Sackgasse: Wer später den Nachweis vertiefter theoretischer Kenntnisse erbringt, muss die Möglichkeit haben, dann auch den höherwertigen Abschluss zu erreichen.

Duale Ausbildung und Studium verzahnen

Eine weitere Herausforderung liegt darin, die duale Ausbildung im Wettbewerb mit den Hochschulen künftig attraktiver zu positionieren. Genau dies streben wir bereits ganz konkret an. So wollen wir erreichen, dass die Berufsausbildung künftig noch besser mit dem Studium verzahnt wird. Jugendliche, die eine berufliche Ausbildung absolvieren, sollen künftig parallel dazu auch an einer Hochschule studieren können. Das setzt freilich voraus, dass die Hochschulen ihre Studiengänge so gestalten, dass ausreichende Zeitfenster für praxisorientierte Lernphasen in den Unternehmen bleiben. Mit den Fachhochschulen in Zweibrücken und Birkenfeld konnten wir zusammen mit den IHKs in Rheinland-Pfalz bereits entsprechende Vereinbarungen treffen. Weitere Hochschulen – auch solche im Saarland – sollten dem guten Beispiel folgen.

Aufwerten wollen wir die duale Ausbildung auch dadurch, dass wir künftig verstärkt „wertige“ Zusatzqualifikationen anbieten; dies durch eine engere Verzahnung der beruflichen Ausbildung mit unseren IHK-Weiterbildungsangeboten. Eine so aufgewertete Ausbildung wäre dann auch für Studienabbrecher interessant, von denen viele derzeit ohne qualifizierten Abschluss bleiben.

Schließlich wollen wir mit unserer Initiative „Ausbildung plus“ künftig mehr Realschüler für eine Ausbildung gewinnen. Dazu werden wir ihnen die Möglichkeit bieten, mit dem Ausbildungsabschluss auch das Fachabitur abzulegen. Durch entsprechenden zusätzlichen Unterricht in den Berufsschulen wird dies erreichbar.

All das zeigt: Es gibt viele Ansatzpunkte, den drohenden Bewerbermangel spürbar abzumildern. Wir sollten alle Potenziale konsequent heben. Die Zeit drängt. Unternehmen, Politik und Arbeitnehmer sind gleichermaßen aufgerufen, das ihre beizusteuern.