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Auf die Industrie kommt es an

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

19.09.2019

Falls es noch eines Beweises bedurfte, die vergangenen Jahre haben ihn erbracht: Das Saarland hängt mehr als alle anderen Bundesländer vom Wohl und Wehe seiner Industrie ab. Das heißt: Wenn es den Industrieunternehmen gut geht, strahlt das auf die gesamte saarländische Wirtschaft positiv ab. Ob Handel, Gastronomie, Handwerk oder haushalts- und unternehmensnahe Dienstleister wie Fitnessstudios oder Speditionsunternehmen – allen geht es dann gut. Und vor allem profitiert die Bevölkerung durch zunehmende Beschäftigung und steigenden Wohlstand. Leider gilt aber auch der umgekehrte Zusammenhang: Läuft es im Fahrzeugbau, in der Stahlindustrie und im Maschinenbau nicht rund, dann schlägt das früher oder später auf alle anderen Wirtschaftszweige durch.

Ein Vergleich der Industrieumsätze mit den Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes zeigt, wie eng dieser Zusammenhang ist. In den Jahren seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 ist die Wirtschaft im Saarland fünfmal geschrumpft – 2009, 2012, 2013, 2016 und im vergangenen Jahr. Und in jedem dieser Jahre gab es einen mehr oder weniger signifikanten Einbruch bei den Umsätzen der Saarindustrie. Je markanter dieser ausfiel, desto größer war der BIP-Rückgang. Der Befund ist damit klar: Die wirtschaftliche Entwicklung wird im Saarland in ganz besonderem Maße von der Industrie bestimmt. Sie ist Taktgeber der Konjunktur, Wachstumstreiber und Innovationsmotor. Kurzum: Auf die Industrie kommt es an.

Diese Vorreiterrolle hat sie, weil sie unmittelbarer und schärfer auf wirtschaftliche und politische Veränderungen reagiert als der Dienstleistungssektor. Das kann man derzeit wieder gut beobachten: Während die zunehmende globale Unsicherheit, der stockende Welthandel in Folge des Handelskriegs USA/China und der bevorstehende Brexit der Industriekonjunktur bereits schweren Schaden zugefügt haben, zeigen sich der Dienstleistungssektor und auch das Handwerk davon ziemlich unberührt. Noch, muss man sagen. Denn laut GfK-Konsumklimaindex hat sich die Kauflaune der Bundesbürger im Juli den dritten Monat in Folge verschlechtert. Es dürfte deshalb nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der Stimmungsabschwung im Handel, in der Gastronomie und bei anderen haushaltsnahen Dienstleistern in Form von Kaufzurückhaltung ankommt. Erst die Industrie und dann die Dienstleister – das ist das zeitliche Konjunkturmuster, in guten wie in schlechten Zeiten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der gesamte Servicebereich spielt eine wichtige Rolle in der Saarwirtschaft. Das moderne Leben wäre ohne tatkräftige Dienstleistungsunternehmen gar nicht denkbar. Sie erleichtern das tägliche Leben. Und oft unterstützen und ergänzen sie die Industrie. Denn von ihr werden immer mehr ganzheitliche Lösungen mit vor- und nachgelagerten Dienstleistungen verlangt. Aber nur in Ausnahmefällen werden einzelne Dienstleistungsbranchen wie der Tourismus in Südtirol oder die Finanzwirtschaft in Luxemburg für ein Land oder eine Region eine ähnlich dominante Rolle spielen können wie die Industrie für das Saarland.

Aber nicht nur deshalb ist sie zu hegen und zu pflegen. Mit einer Bruttowertschöpfung von rund 82.000 Euro je Beschäftigten (Dienstleistungen: 55.000 Euro) ist die Industrie im Saarland der produktivste Wirtschaftszweig. Entsprechend gut sind die von ihr gezahlten Gehälter. Dadurch werden vor allem im Handel und in der Gastronomie zahlreiche Arbeitsplätze gesichert. Ganz zu schweigen davon, dass der saarländische Industriestandort auch ein exponierter Exportstandort ist, der sich die Vorteile der Globalisierung zunutze gemacht hat. Auf diese Weise stieg das Exportvolumen hierzulande in den vergangenen 25 Jahren um das Dreifache. Dass dieser Trend aus geo- und handelspolitischen Gründen zuletzt ins Stocken geraten ist, verunsichert, sollte aber kein Grund zur Panik sein. Denn die Saarindustrie ist strukturell stark und hat das Potenzial für eine gute Zukunft.

Doch diese kommt nicht von selbst. Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Drei Aspekte sind dabei besonders wichtig. Da ist erstens der zunehmende Fachkräftemangel. Hier helfen nur verstärkte Bemühungen, das vorhandene einheimische Potenzial auszureizen und durch Zuwanderung von außen zu ergänzen. Letzteres kann nur gelingen, wenn – zweitens – das Land insgesamt attraktiver wird. Dafür brauchen wir mehr öffentliche Investitionen. Das von der Landesregierung für die kommende Dekade ausgerufene Jahrzehnt der Investitionen sollte deshalb durch eine langfristige Investitionsagenda mit klarer Prioritätensetzung untermauert werden. Und drittens müssen wir runter von den hohen Standortkosten. Unternehmerische Investitionen müssen sich im Saarland wenigstens so gut rechnen wie an anderen Standorten.

Die Vorschläge sind nicht neu. Die IHK hat sie in den vergangenen Monaten auch gegenüber der Landesregierung immer wieder vorgebracht. Dass sie hier wiederholt werden, ist nicht nur der aktuellen Schwäche der Saarindustrie geschuldet. Dahinter steht auch die Sorge, wie wir den Industriestandort Saarland mittel- und langfristig angesichts der bevorstehenden Umbrüche im Fahrzeugbau, der klimapolitischen Herausforderungen und nur noch schwach wachsender Weltmärkte absichern können. Die Umstände werden wir nicht ändern können. Aber wir wissen, was zu tun ist. Wohlan!